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#gesichtzeigen Viktoria Mezovska

Am 1. Oktober 2014 haben mich mein Papa und mein Bruder vor dem Wohnheim in der Agricolastraße abgesetzt und von mir Abschied genommen. Ab dem Punkt war ich auf mich allein gestellt und musste in einem für mich fremden Land zurechtkommen. 
Ich kann nicht sagen, dass ich in Freiberg nicht gut aufgenommen wurde. Durch die ersten, sehr komplizierten Tage hat mich das Internationale Universitätszentrum gebracht und mir eine Zuflucht zur Verfügung gestellt. Jeder hat mich immer respektvoll und höflich behandelt. 

Mit der Zeit ist Freiberg mein Zuhause geworden, hier bin ich erwachsen geworden und hier habe ich die Liebe meines Lebens gefunden. Nie habe ich den Eindruck gehabt, dass die nationalen und internationalen Kreise nicht im Einklang sind… 

Erst seit ich verschiedene Erfahrungen sowohl in einem deutschen als auch einem internationalen Studiengang gemacht habe, muss ich feststellen, dass es da doch sehr viele Unterschiede gibt. 
Lehrmaterialien für englische Studiengänge, die zum Teil auf Deutsch sind, Missachtung der Prüfungs- und Studienordnung, Chaos und Ignoranz sind Dinge, die sich niemand wünscht. 

Die meisten ausländischen Studenten kommen hierher in der Hoffnung auf hochwertige Bildung und ein besseres Leben als das in der Heimat. Sie haben ihre Familien und Länder in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft verlassen. Die meisten müssen neben dem Studium für ihren Unterhalt sorgen, da uns BAföG nur unter fast unerfüllbaren Bedingungen bewilligt werden kann. 
Es gibt nur wenige Stipendien für Ausländer, die keine Hochbegabung und überdurchschnittliches Engagement verlangen. 
Wenn man darüber hinaus noch mitbekommt, dass einige Dozenten der TU Bergakademie eine nationalistische Partei unterstützen, fühlt man sich noch weniger aufgenommen. 

Zudem höre ich immer mehr traurige Geschichten aus meinem Freundeskreis. Ein Pakistani, neben den sich in einem überfüllten Zug niemand setzen will, eine Türkin, die für eine Teilnahme an einem freiwilligen Praktikum kämpfen musste, ein Kolumbianer, der angeschrien wurde, dass er gefälligst Deutsch sprechen solle, ein Nigerianer, der auf zahlreiche Bewerbungen nicht eine einzige Antwort bekommen hat…

Was wäre denn Freiberg ohne Ausländer? Im Kreiskrankenhaus würde ein Viertel der Fachleute fehlen, die Hälfte der Restaurants müsste schließen. Die Universität wäre um etwa 1.230 Studenten ärmer. 

Man muss doch voneinander und füreinander lernen! Es mag klischeehaft sein, meiner Meinung nach steckt aber in vielen Klischees ein wahrer Kern: 
Den Fleiß habe ich von meinen nigerianischen Freunden gelernt. Die Iraner und Pakistani haben mich mit ihrer Gastfreundlichkeit beeindruckt. Die Deutschen bewundere ich für ihre Präzision. Von Indern habe ich das Kochen gelernt. Türkische Freunde haben mir Herzlichkeit vorgelebt. Lassen wir die Weltoffenheit nicht an den Campusgrenzen enden. 

Offen zu sein für die Welt ist eine Entscheidung, die ich vor fast fünf Jahren treffen musste und jetzt weiß ich, dass ich mich richtig entschieden habe. 

Hoffen wir, dass Freiberg sein Gesicht auch weiterhin und noch mehr der Welt zuwendet! 
Dafür drücke ich unserer Stadt die Daumen. 

Viktoria Mezovska – Studentin

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