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#gesichtzeigen Jörg Matschullat

„Burka? Ich steh’ mehr auf Burgunder“ – Was wollen uns solche Worte sagen? Wohl niemandem gefällt alles, was um sie oder ihn zu erleben ist. Muss ich mich davon bedroht fühlen? Muss ich Anderssein lächerlich machen? Oder kann ich, mit den Worten eines preußischen Königs gesprochen, nicht einfach jede(n) nach ihrer oder seiner Fasson leben lassen?

Wir leben in Freiberg, und unser feines Städtchen ist Teil der gesamten Welt. Unsere Firmen verdienen einen Großteil ihres Geldes weder in der Stadt noch in Sachsen oder Deutschland – sie erarbeiten es weltweit. Meine Universität ist seit ihren Anfängen international, ja global ausgerichtet. Wir bilden junge Menschen von allen Kontinenten aus; wir betreiben unsere Forschung zum Teil in weit entfernt liegenden Regionen. Fast immer begegnen uns dort Gastfreundschaft und Neugier auf unser „Anderssein“. Und nicht wenige unserer deutschen Freiberger Studierenden finden ihr Glück – oft auch im ganz privaten Sinne „da draußen“. Und umgekehrt ist es genauso. Aus den verschiedensten Gründen kommen Menschen zu uns – leider auch oft nicht freiwillig. Doch egal, warum sie kommen, sie verdienen unseren Respekt und unsere Empathie, wie jede(r) andere auch.

Etwas mehr Gelassenheit und vor allem auch Besonnenheit wünsche ich mir allenthalben. Wir haben heute in unserem Land mehr persönliche Freiheit als jemals zuvor, es geht den meisten von uns wirtschaftlich ebenfalls besser als jemals zuvor. Machen wir uns ehrlich und fragen nach, wo unsere Wurzeln liegen. Kaum ein Mensch in Deutschland kann eine Familienlinie zurückverfolgen, ohne auf Migration und Einflüsse unterschiedlicher Kulturen zu stoßen. Meine Eltern sind Flüchtlingskinder, ausgelöst durch den Zweiten Weltkrieg. Mit Flucht und Vertreibung verbundene Traumata stecken ihnen bis heute in den Knochen. Auf Schwächere herabzuschauen oder sie gar schlecht zu behandeln ist schäbig, billig – und ein Zeichen für große Schwäche. Das sollte niemand nötig haben.

Stattdessen ist alle Energie willkommen, unsere Stadt, ihre Universität und unser Land noch besser auf Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft vorzubereiten. Sich nach Möglichkeit als Bürgerin und Bürger aktiv einzusetzen für ein weiterhin lebenswertes und schönes Freiberg, ein lebendiges Zuhause für unsere Verschiedenheit, unsere Verrücktheiten und unsere Talente.

Mit einem herzlichen Glückauf!

Jörg Matschullat, seit über 20 Jahren Freiberger und Wissenschaftler an der TU Bergakademie Freiberg aus Freude und Begeisterung

P.S.: Haben Sie als FreibergerIn schon mal eine Frau in Burka mit eigenen Augen gesehen?

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